Ironie des Schicksals: Apples Erfolgsgeschichte frisst ihre Kinder

Während Apple einst nur als Spartenprodukt für Medienprofis überleben konnte, ist der Hardware- und Software-Konzern heute längst im Mainstream angekommen. Der Preis dafür ist der (Vertrauens-)Verlust einer treuen Käufergruppe, die Apples Erfolgsgeschichte einst begründete. Das zeigt das Beispiel Mac Pro.

Ein Apple-Fanboy bin ich sicherlich nicht. Als Apple-Hater würde ich mich aber auch nicht bezeichnen. Tatsächlich habe ich als Videojournalist des Öfteren an Macs gearbeitet und schätze das Design und die Funktionalität.
Praktisch aber gibt es für mich heute und damals gute Gründe gegen Apple und seine Produktpolitik, die ich an ein paar Beispielen erläutern möchte.

Final Cut Pro X: Vom Profi zum Hobby-Schnittsystem

Beispiel Nummer Eins. Final Cut Pro  ist eines der bekanntesten Videoschnittprogramme auf dem Markt. Bis zur neuen Version Final Cut Pro X erfreute sich das Apple-exklusive Programm großer Beliebtheit. Die 10er Version präsentiert sich aber trotz einiger netter Features insgesamt unausgereift.
Die Bedienung wurde verkompliziert und der Funktionsumfang im Vergleich zu anderen Schnittprogrammen limitiert, so dass Final Cut am Ende das „Pro“ im Namen nicht (mehr) verdient.

Weiteres Manko: Das neue Final Cut Pro war plötzlich nicht  mehr abwärtskompatibel (mittlerweile geht das halbwegs dank Drittanbietern). Als Krönung wurde der Vorgänger, das beliebte Final Cut Pro 7, mit Einführung von Final Cut Pro X komplett eingestellt (und war im App Store nicht mehr erhältlich) – Ein Schlag ins Gesicht vieler langjähriger Nutzer. Nach einem Proteststurm der User besserte Apple dann immerhin mit einigen Updates nach.

Positiv hervorzuheben ist der Schnäppchen-Preis von 270 Euro. Für viele Hobby-Cutter sollte der Funktionsumfang ausreichen, aber eben nicht für die treuen professionellen User, die den Erfolg der Serie einst begründeten.

Alternativlos: Apple-Bildschirme als teure Schminkspiegel

Nächstes Beispiel. Apples Produktpolitik hinsichtlich der Bildschirme ist gelinde ausgedrückt User-unfreundlich. Für einen matten Bildschirm muss musste der geneigte User, der keinen Schminkspiegel haben will, bislang einen hohen Aufpreis zahlen.

Immerhin geht das bei den MacBooks, beim beliebten iMac dagegen hat hatte man bisher nicht einmal mehr die Wahl. Spezial-Folien können zwar ein wenig Abhilfe schaffen, sind auf Dauer aber anstrengend für die Augen. (Der Trend zum glossy Display ist aber leider auch im PC-Bereich sichtbar.)

Die neue Mac-Bildschirm-Generation Retina könnte hier Abhilfe schaffen, erhöht aber auch die Kosten spürbar.

Weniger Wahlfreiheit kostet bei Apple bares Geld

Seit jeher ist Apple im Vergleich zum PC teurer. Das lässt sich mittlerweile klar belegen, weil die verbaute Hardware häufig auch für PCs genutzt wird. Für jedes Mac-Modell gibt es stets einen alternativen PC mit einer vergleichbaren Hardware-Ausstattung, aber einem deutlich besseren Preis-Leistungsverhältnis, bei deutlich mehr Wahlfreiheit bezüglich der einzelnen Komponenten.

Eindrucksvoll zeigte das auch Günter Jauch in seiner ARD-Talkshow vom 02. Dezember 2012. Ein Technik-Redakteur bescheinigte hier Apples neuestem 678-Euro-iPhone anhand der Bauteile einen tatsächlichen Wert von 155 Euro.

Zu Apples Konzept gehört es den Nutzer nicht zu überfordern, was die Auswahl der Hardware betrifft. Und gleichzeitig ist es natürlich ein Vorteil von Apple mit der beschränkten Produktlinie eine großes Maß an Kompatibilität und Einfachheit zu gewährleisten. Apple steht für Qualität (und genaugenommen mittlerweile als Lifestyle-Marke für sich selbst) und die hat seinen Preis.

Monopoly: Ist Apple das neue Microsoft?

Die eingeschränkte Wahlfreiheit betrifft aber nicht nur die Hardware, sondern auch die Software. Wer als Nutzer von Apple-Produkten es schafft den iTunes Store zu umgehen muss in etwa so viel Geschick aufweisen, wie Odysseus bei der Umschiffung der Sirenen.

Im Ausnutzen seiner marktbeherrschenden Stellung, z.B. mit dem besagten iTunes Store, steht Apple dem Konkurrenten Microsoft in Sachen Monopolverhalten in nichts nach. In finanzieller Hinsicht ist Bill Gates Software-Schmiede von der wertvollsten Marke der Welt Apple längst überholt.

Ansonsten haben sich die Mac- und PC-Betriebssysteme angenähert, optisch und auch was ihren Funktionsumfang betrifft.

Der gute alte Mac Pro vom Aussterben bedroht

Während Apple einst nur als Spartenprodukt für Medienprofis wie Grafiker, Video-Cutter und Journalisten überleben konnte, ist der Hard- und Softwarehersteller heute längst im Mainstream angekommen. Das kulturelle Kapital was die Medienelite einst mitbrachte, trug zudem nicht unerheblich zum polarisierenden Hipster-Image der Marke bei.

Doch die Anforderungen dieser Zielgruppe interessieren Apple bei seinen aktuellen Plänen (anscheinend) nur wenig. Die  Apple-Erfolgsgeschichte frisst ihre Kinder.

Das zeigt sich auch beim Auslaufmodell Mac Pro. Der Trend zu mobilen schicken Lifestyle-Produkten wie MacBooks, Smartphones und Tablets sowie zum Cloud-basierten Computer im Allgemeinen, schlägt sich auch in den Verkaufszahlen nieder. Der gute alte Mac Pro ist aufs Abstellgleis geraten, als Desktop-Computer-Dinosaurier quasi vom Aussterben bedroht.

Apple-Anhänger fordern einen neuen Mac Pro

Schon lange diskutiert die Apple Community, darüber ob und wann der Erscheinungstermin des längst überfälligen Mac-Pro-Nachfolgers bekannt gegeben wird. Jedes Gerücht wird von der Community hoffnungsvoll kommentiert.

Einer von den Apple-Jüngern ist Lou Barella, Besitzer von zwei Mac Pros, vier Laptops, einem iMac, vier iPods, einem Mac Mini und vier iPhones. Barella startete Anfang Mai 2012 im Namen der “Creative Community” eine Facebook-Petition, um Apple dazu zu bewegen, Auskunft über die Zukunft des Mac Pro zu geben.
Die Apple-Anhänger fordern „We Want a New Macpro„. Mittlerweile zählt die Facebook-Petition über 18.000 Likes. Tendenz steigend.

Als Profi-Cutter ist der Mac Pro für Barella kein nettes Gadget sondern ein notwendiges Arbeitsgerät. Die Entscheidung für einen Mac oder einen PC als Herzstück des Workflows hat für viele Medienprofis weitreichende Konsequenzen.

Mac Pro als der Letzte seiner Art?

Bisher hält sich Apple (offiziell) zurück, was die Zukunft des einstigen Flaggschiffs betrifft. Ein kleines Update für die Mac-Pro-Reihe gab es dann im Juni 2012.

Momentan kocht die Gerüchte-Küche wieder hoch und womöglich gibt es am Ende doch ein temporäres Happy End für Barella und Co, aber wer weiß, ob er am Ende nicht der Letzte seiner Art sein wird. Dieser und andere Fälle erschüttern das Vertrauen der User in Apple jedenfalls dauerhaft.

Außerdem zeigt der Fall Mac Pro: Obgleich die Medienprofis eigentlich eine kaufkräftige Gruppe darstellen, spielen sie längst nicht mehr die Rolle wie vor einigen Jahren. Apple ist längst im Mainstream angekommen, das zeigen die Erfolgsgeschichten von iPad, iPhone und iPod.

Damit hat sich Apples Zielgruppe und Geschäftsmodell verändert. Vom Special-Interest-Produkt hin zum Mainstream-Lifestyle-Accessoire. Der Preis dafür ist der (Vertrauens-)Verlust einer treuen Käufergruppe, die Apples Erfolgsgeschichte einst begründete.

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